Vom Recht zu wählen!
Heuer fanden und finden in Österreich zahlreiche Wahlen statt. Im Burgenland und der Steiermark wurden bereits am 31. Mai neue Landtage gewählt, in Oberösterreich finden am 27. September Landtags- und Gemeinderatswahlen statt, und schließlich wird am 11. Oktober in der Bundeshauptstadt der Stadtrat, der zugleich Landtag ist, neu gewählt. Bis zur Wahl in Wien wollen wir in losen Abständen über das Recht zu wählen in den verschiedensten Facetten in unserem Blog berichten. Beginnen wollen wir heute mit einer kurzen Geschichte des Wahlrechts in Österreich.
Dieses Jahr dürfen in Öberösterreich und Wien alle österreichischen Staatsbürger ab 16 Jahren ihre Stimme abgeben. Und unabhängig von Ausbildung und finanziellem Status zählt jede abgegebene Stimme gleich viel.
Dieses Recht auf freie Wahlen hat aber nicht immer bestanden. Eigentlich handelt es sich dabei sogar um eine recht junge Errungenschaft, denn erst seit 1918 darf in Österreich wirklich frei von jedem Staatsbürger über die Verteilung der Mandate entschieden werden. Denn seit diesem Jahr sind in Österreich auch alle Frauen wahlberechtigt gewesen. Aber wie hat das alles eigentlich begonnen?
Am Anfang waren indirekte Wahlen
Die Geschichte des Wahlrechts in Österreich beginnt mit der Revolution im Jahr 1848. Bis dahin herrschte der Kaiser absolut und ohne jede Beteiligung des Volkes. Aber immer mehr Bürger, Studenten und Arbeiter forderten eine Beteiligung am politischen Geschehen des Landes. Und zunächst erzielten die Revolutionäre sogar einen Erfolg: Sie erkämpften die indirekte Wahl eines konstituierenden Reichstages. Das heißt, dass die Wähler nicht direkt einer Partei oder einem Mandatar ihre Stimme gaben, sondern einem Wahlmann, und dieser stimmte im Anschluss für einen Abgeordneten zum Reichstag. Und längst war noch nicht jeder Staatsangehörige wahlberechtigt. Ausgeschlossen waren Frauen, Arbeiter, Dienstleute und alle Personen, welche vom Staat abhängig waren. Ein neues, vom Reichstag ausgearbeitetes Wahlrecht wurde aber erst gar nicht mehr beschlossen – Kaiser Franz Joseph zog es nämlich vor, die Volksvertretung kurzerhand aufzulösen und bis 1860 wieder absolut zu regieren.
Erst in diesem Jahr erließ er das Oktoberdiplom, welches einen Reichsrat vorsah, der jedoch nie zusammen trat. 1861 schließlich stimmte der Kaiser der Errichtung eines Abgeordneten- und Herrenhauses zu, einer Art Vorläufer des heutigen Parlaments.
Das Herrenhaus war dabei eine rein kaiserliche Institution – alle Mitglieder wurden vom Kaiser bestellt, das Volk hatte nichts mitzureden. Das Abgeordnetenhaus dagegen wurde von den sogenannten Landtagen beschickt, welche wiederum mittels des Kurienwahlrechts gewählt wurden. Die vier Kurien waren 1. Großgrundbesitzer, 2. Handels- und Gewerbekammern, 3. Landgemeinden und 4. Städte, Märkte sowie Industrieorte.
Besitz und Bildung sichern Stimmrecht
Das Wahlrecht war direkt gekoppelt an einen bestimmten Bildungsgrad oder eine bestimmte direkte Steuerleistung, was naturgemäß den Großteil der Bevölkerung ausschloß und als Zensurwahlrecht bezeichnet wird. Interessant allerdings ist die Tatsache, dass die Stimmberechtigung nicht nur Männern vorbehalten war. Frauen durften bei Erreichen der nötigen Voraussetzungen zumindest über einen Vertreter oder Bevollmächtigten ihr Wahlrecht ausüben!
1873 schließlich wurde im Großteil der Monarchie die direkte Wahl der Abgeordneten eingeführt, gleichzeitig aber für alle Kurien außer dem Großgrundbesitz an das männliche Geschlecht gekoppelt. Der Einfluss der Großgrundbesitzer war im Verhältnis natürlich übermäßig, wählten doch nur rund 5.000 von ihnen 85 Abgeordnete, während die ca. 18 Millionen Einwohner der Landbezirke, von denen ohnehin nur rund 1 Million die Wahlvoraussetzungen erfüllten, nur 131 Abgeordnete wählten.
Im Jahre 1882 schließlich wurde das Wahlrecht auf all jene ausgeweitet, die 5 Gulden direkte Steuerleistung im Jahr erbrachten. 14 Jahre später erhielten alle Männer über 24 Jahre das Wahlrecht, sofern sie zumindest ein Jahr am selben Ort gewohnt hatten. Aber auch einige andere „Wahlreformen“ wurden beschlossen, so dass die dadurch nun zwar rund 5 Million Wahlberechtigten nur mehr 72 von 425 Reichsratsabgeordneten wählen durften. Die anderen Mandatare stellten noch immer die vier Kurien.
Abschaffung des Privilegiensystems
Erst 1907 wurde durch die Becksche Wahlrechtsreform dieses System überwunden und erschuf ein allgemeines, direktes Wahlrecht – jetzt aber ausschließlich für Männer. Die ohnehin wenigen, aber bis dahin wahlberechtigten Frauen wurden komplett ausgeschlossen. Schließlich bedurfte es eines Weltkrieges und den Zerfall der Habsburgermonarchie, um die Demokratie und ein für alle gültiges, gleichberechtigtes Wahlrecht durchzusetzen. Ab 1918 durften schließlich alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger an Wahlen teilnehmen. Allerdings hatte diese neu errungene Freiheit nur bis 1933 Bestand, ehe es ab Errichtung des autoritären Ständestaates unter Kanzler Dollfuß und später nach der Machtergreifung Hitlers keine freien Wahlen mehr gab.
Zweite Republik bringt Wahlrecht zurück
Erst nach Ende des zweiten Weltkriegs und mit der Errichtung der Zweiten Republik waren Östereicherinnen und Österreicher wieder ermächtigt, ihre Volksvertretungen selbst zu wählen. An den Prinzipien des Wahlrechts wurde seither kaum mehr etwas verändert. Nur das Wahlalter wurde von anfangs 21 auf inzwischen 16 Jahre gesenkt, und es besteht heute auch die Möglichkeit mittels Vorzugsstimmen etc. in die parteiinternen Listungen einzugreifen.
Fazit: Nicht wählen ist keine Alternative
Als Fazit bleibt, dass es keine Selbstverständlichkeit darstellt, aktiv an der politischen Gestaltung seiner Gesellschaft teilhaben zu dürfen, und dass das Recht zu wählen zumindest auch einer moralischen Verpflichtung zur Wahl gleichkommt. Gerade in Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs und vieler aktueller Krisenherde auf der Welt, sollten wir uns dieses Privileg immer wieder vor Augen halten und bei den bevorstehenden Wahlen auch aktiv nutzen. Denn wir müssen uns durchaus darüber im Klaren sein, dass Nichtwähler aktiv dazu beitragen, wieder in vordemokratische Verhältnisse zurückzufallen – und das auch noch freiwillig! Wer nicht wählt ist verantwortlich dafür, dass nur ein geringerer Prozentsatz der Wahlberechtigten über die Zukunft des Landes entscheidet. Und Nichtwähler verspielen gleichzeitig jedes Recht auf Protest: Wer nicht deklariert was er gern möchte, muss nehmen was er kriegt!
Silvia Podlisca
Quellen:
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